Das Reh in meinem Garten

Reh im Garten

Wem gehört der Garten? Dem Reh oder mir?

Das ist die Frage, die ich mir alle paar Tage wieder neu beantworten muss.  Weil ein ganz bestimmtes, vorwitziges und selbstbewusstes Reh zu Besuch kommt. Denn mein Permakultur-Garten ist durchaus naturnah. Rehe, die über den 1,50 Meter hohen Gartenzaun springen und ihre kleinen Kitze im Topinambur-Beet ablegen, gehören zu meiner Lebenswirklichkeit mit dazu. Das sollte doch ein Grund zur Freude sein, nicht wahr?

Ist es nicht ganz. Ich meine es war im letzten Frühling. Da waren es gleich zwei Kitze, die ihre Kindergartenzeit ganz offensichtlich in meinem Garten verbrachten. Sie knabberten hier, sie knabberten dort und richteten keinerlei Schaden an. Was ihnen besonders gut schmeckte, war das Fallobst. Und davon hatte ich genug. Das Zusammenleben war schön, obwohl die Tiere natürlich scheu waren und scheu blieben.

 

Der Wildverbiß kam erst im Winter. Ich hatte meinen Zaun zwar verstärkt und ihn dichter gemacht. Das störte die heranwachsenden Jungtiere nicht weiter. Sie erinnerten sich an ihre gute Kinderstube und quetschten sich hindurch. Dann fanden sie doch noch eine Stelle zum Hinüberhüpfen. Meine jungen Bäume hatte ich vorsorglich rehsicher umwickelt, wie ich dachte. In Wirklichkeit hilft ins solchen Fällen überhaupt kein Provisorium. Ein mindestens 1,80 hoher Wildschutzzaun mit stabilen Pfählen hätte her gemusst. Rund um das Grundstück herum. Doch den fand ich zu häßlich und mir war nicht ganz klar, was in diesem Winter passierte.

 

Weil ich den Bau eines Wildzaunes versäumt hatte, waren  die jungen Obstbäume und Beerenbüsche im Frühjahr angekratzt. Ich hatte ein paar Brombeeren weniger. Mit ein wenig frischer Schafwolle in den Zweigen der Gehölze wäre das nicht passiert. Leider kannte ich diesen Trick damals noch nicht. So ein bisschen Schafwolle kann einen Wildzaun ersetzen, wenn man "nur" Rehe im Garten hat und nicht allzuviele Pflanzen damit schützen möchte.

 

Ob ich nun einen Wildschutzzaun will, wie ihn der Förster aufstellt? -Nein. Ich werde meinen Zaun beim nächsten Mal mit 1,80 Meter hohe Bambusstäben ausstatten. Dies aber erst, wenn der jetzige Zaun in ein paar Jahren morsch wird. Denn ich mag diese zarten Zäune aus dünnen Tonkin-Stäben. Rehe hin oder her. Mein Zaun soll hübsch aussehen.

 

Das Reh rechts im Bild ist wahrscheinlich eines der Kitze vom vorletzten Sommer. Die Optik täuscht. Dieses Jungtier wird im diesem Winter selbst trächtig sein und ihr erstes Kitz im kommenden Frühling zur Welt bringen. Zum Größenvergleich: Der Estragon  daneben ist mannshoch. Genau wie das grün-graue Laub vom Grünspargel weiter links im Bild. Etwas dahinter seht ihr meine Bohnenstangen. Dieses Reh ist demnach genauso groß wie ich und schaut mir jedesmal tief in die Augen, bevor es sich umdreht und geht. Ich mag diesen Garten und diese Reh ihn auch. Aber es geht, wenn ich mich nähere. Dieses Foto ist daher schon ein ganz großes Glück. 

Dasselbe Reh, als es noch jünger war.
Dasselbe Reh, als es noch jünger war.

Ab und zu bedaure ich es, dass ich es in Bezug auf die Rehe nicht wie Schneewittchen gemacht habe. Ich rede mit "meinen" Rotkehlchen, die mir im Frühling ein Lied singen, dann im Holzvorrat für den Winter nisten und mir anschließend ihre Jungen zeigen. Ich verbringe die Siesta mit dem Eichelhäher, der sich oben im Baum nach einem Bad im Bach genüsslich das Gefieder putzt. Ich begrüße die Katzen, die hier in der Gegend wohl sehr viel Wildkatzenanteil in sich haben müssen.

 

Aber "mein" Reh, das schicke ich weg und bis selber traurig darüber.

 

Zwei Junge Rehe im Garten
Zwei weitere Jungtiere. Im frühen Herbst 2018

Doch wenn ich es nicht täte, was würde es bedeuten? Ich hätte jedes Jahr neue Kitze im Garten, die immer wieder zurückkehren würden. Dies hätte zur Folge, dass der Wildverbiss zunehmen würde und ich jedes Jahr mehr Schäden am Zaun reparieren müsste.

 

Dann wäre mein Nutzgarten auf die Dauer gesehen nur noch ein reiner Naturgarten. Ohne den gewünschten Ernteertrag. Das möchte ich nicht. Deshalb, freut Euch mit mir über diese Fotos. Sie werden eine seltene Erinnerung bleiben. Eine wehmütige. Über eine Freundschaft, die nicht sein darf.

 

P.S. Ich dachte immer, ich hätte nur zwei Kitze/Jungtiere im Garten gehabt. Es waren mindestens drei...